Etatrede des Fraktionsvorsitzenden: “Politische Steuerung ist gefragt”

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Investitionskraft durch klare Priorisierung erhalten



Claudius Kranz
Etatrede des CDU-Fraktiosnvorsitzenden Claudius Kranz

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates,
sehr geehrte Mitarbeiter der Verwaltung,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

als wir im vergangenen Jahr erstmalig zur Haushaltsberatung zusammengetreten sind, um einen einjährigen Haushalt aufzustellen, waren wir hoffnungsfroh, dass die Pandemie 2022 überwunden wird. Wir hofften für das Jahr 2023 wieder aus dem Krisen­modus herauszukommen. Gegebenenfalls würden wir noch die Gewerbesteuer­mindereinnahmen aus den Jahren 2020 und 2021 verspüren, aber den schwierigsten Teil der uns bis dahin so stark beschäftigende Krise der Pandemie hätten wir hinter uns. Dann hat Russland im Februar die Ukraine überfallen. Dass es erstmals wieder zu einem ernsthaften Angriffskrieg auf europäischem Boden kommt, hatten selbst die profundesten Verschwörungstheoretiker nicht vorausgesagt.

Politisches Handeln gerade in Krisensituationen gefragt

Hinzu kommen Lieferengpässe und eine galoppierende Inflation, die zum Ende Oktober einen historischen Höchststand von 10,4% in Deutschland hat. Gleichzeitig grassiert bei vielen Bürgerinnen und Bürgern die Angst über die Entwicklung ihrer Stromversorgung und Preise sowie bei Wärme, insbesondere die Kostenexplosion beim Gasbezug.

Beschlossene Investitionsmittel fließen nicht ab

Noch im vergangenen Jahr hatte ich an dieser Stelle zum Ausdruck gebracht, dass es Sinn macht, die historisch hohen Investitionssummen von 211 Millionen Euro im Schnitt der Jahre 2022 bis 2025 aufrechtzuerhalten. Ich habe schon damals aber ebenso angemerkt, dass wir wissen, dass die Investitionen nicht abfließen werden, die für die kommenden Jahre in die mittelfristige Finanzplanung eingestellt sind, zumindest nicht in vollem Umfang und wir damit finanzpolitisch auch davon leben, dass wir Geplantes nicht in den Zeitfenstern umsetzen, wie wir es uns inhaltlich als Gemeinde­rat wünschen würden. Diese Situation können wir aber nicht unendlich fortschreiben. Wir sehen das Risiko als CDU-Fraktion, dass beschlossene Projekte auf diese Art und Weise auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben werden. Ich würde gerne ein Beispiel nennen:

Wichtige Projekte werden auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben

Der Gemeinderat hat in den vergangenen zwei Haushaltsberatungen dem Thema Kultur- und Sportzentrum Wallstadt immer wieder große Priorität eingeräumt. Im aktuellen Haushaltsentwurf hat Die Verwaltungsspitze lediglich noch 500.000 Euro Planungs­mittel bereitgestellt – und sodann weder für den Haushalt, noch die mittel­fristige Finanzplanung, also bis Ende des Jahres 2026, gar keine Mittel. Was wird passieren?

Es wurde auf Drängen des Gemeinderates eine Kostenplanung und nunmehr auch eine Raumplanung auf den Weg gebracht. Diese ist zumindest was den Kostenrahmen anbelangt für das Jahr 2026/2027 schon völlig obsolet. Schon in der Vergangenheit hat man jedes Jahr mit erheblichen Baukostensteigerungen rechnen müssen, nun­mehr kommt eine galoppierende Inflation noch dazu.

Gleiches gilt im Übrigen auch für den Neubau der Stadtbibliothek. Hier haben wir als CDU-Fraktion schon vor einem Jahr gesagt, dass es nicht den Grundsätzen von Haushaltsklarheit und -wahrheit entspricht, wenn man ein Projekt immer weiter nach hinten verschiebt. Irgendwann stimmen dann weder die Planungen für die Bedürfnisse der Bibliothek, noch die finanziellen Mittel. Schon zwischen der ersten Beschluss­fassung für den Neubau der Stadtbibliothek bis heute haben sich die Investitionskosten mindestens verdoppelt auf aktuell 75 Millionen Euro. Auch hier schiebt die Stadtspitze den Baubeginn nach hinten und hat die Kosten für den Bau in der mittelfristigen Finanzplanung nicht mit aufgenommen.

Etatrede von Claudius Kranz am 17. November 2022

Klare Priorisierung der wichtigen und umsetzbaren Projekte erforderlich

Lassen Sie uns ehrlich werden. Lassen Sie uns gemeinsam eine Priorisierung vornehmen. Wir können nicht den Weg beschreiten, der interessierten Öffentlichkeit und den Bürgerinnen und Bürgern vorzugaukeln, dass die Projekte realisiert werden, wenn wir das Geld dafür gar nicht eingeplant haben.

Andere Projekte, die eingeplant sind und für die auch Geld im Etat vorhanden ist, werden aber in den vorgesehenen Etat-Jahren gar nicht abgerufen. Hier geht eine Schere auseinander, der man sich stellen muss. Ich mache damit weder der Ver­wal­tung den Vorwurf, dass Projekte nicht in den vorgegebenen Zeiträumen abge­arbeitet werden, und ich mache keinem meiner Kolleginnen und Kollegen im Plenum des Gemeinde­rates den Vorwurf, dass man sich zu einem gewissen Zeitpunkt für ein Projekt ausgesprochen hat. Aber jetzt ist es an der Zeit, alle Investitionen noch einmal anzusehen, und zwar unter unterschiedlichen Blickwinkeln:

  1. Aktuelle Finanzierbarkeit
  2. Priorität unter den aktuellen Rahmenbedingungen und Prämissen, die wir uns als Gemeinderat selbst gegeben haben, also unseren Zielen, Wirkungszielen, Nach­haltig­keitszielen, etc.
  3. Die tatsächliche zeitnahe Realisierbarkeit
  4. Die Beachtung externer Rahmenbedingungen, wie z.B. zur Verfügung stehende Förder­mittel oder andere externe Vorgaben, wie z. B. der Wegfall der Nutzungs­möglichkeit wie bei der DJK-Halle bei meinem oben aufgeführten Beispiel in Wallstadt.

Gerade in Krisenzeiten gilt es politische Entscheidungen zu treffen

Lassen Sie uns die Haushaltsberatungen nutzen, in diesen Diskurs ernsthaft einzu­steigen und tatsächlich Entscheidungen zu treffen, denn dafür sind wir als Gemeinde­rat gewählt. Wir sind verantwortlich, auch bei rauer See unsere Ziele nicht aus dem Auge zu verlieren und eine nachhaltige Finanzpolitik braucht Entscheidungen, und zwar jetzt!

Der Gemeinderat muss jede Entscheidung zur Umsetzung des Klimaschutzaktionsplans treffen

Genauso wie Finanzpolitik ihre Entscheidung jetzt braucht, braucht auch der Klima­schutz Entscheidungen. Der Klimaschutzaktionsplan ist eine gute Grundlage uns zu vergewissern, welche Maßnahmen wir jetzt und in den kommenden Jahren treffen können und müssen. Mit beachtlichem Tempo ist ein 188 Seiten starkes Papier entstanden, das uns Ideenvorschläge, teils konkret, teils doch auch noch abstrakt, an die Hand gibt. Auf Grund der sehr unterschiedlichen Konkretionsgrade des Konzeptes und des Wissens, dass es aufgrund von Änderungen der Rahmenbedingungen während des Prozesses Änderungen geben wird, erwarten wir, dass jede aus dem Papier abgeleitete Maßnahme in der ganz konkreten Umsetzung auch nochmals vom Gemeinderat verabschiedet werden muss.

Lassen Sie mich z. B. das Thema Flächenverbrauch herausgreifen. Wenn es um die Ansiedelung neuer Firmen geht oder um den Erhalt von Arbeitsplätzen in Mannheim durch die Ermöglichung neuer Flächen, muss dies weiterhin möglich sein. Der Gemeinde­rat muss die Möglichkeit haben, einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan zum Verbleib oder Neuansiedlung von Firmen zu erlassen. Ich erinnere hierbei z. B. nur an den erst kürzlich kontrovers diskutierten, aber dann doch mit großer Mehrheit beschlossenen Bebauungsplan „Altes Eisstadion“ zur Erweiterung der universitären Nutzung. Gleiches gilt auch für ein mögliches neues Stadion für den SV Waldhof Mannheim.

Neues Fußballstadion privat finanzieren, wie bei der SAP Arena

Und ich will es gleich sagen. Werfen Sie mir jetzt nicht vor, dass ich hier eine neue Investition ins Spiel bringe, wo ich die alten Investitionen gerade auf den Prüfstand gestellt habe. Herr Beetz hat es als potentieller Investor nun auch öffentlich bereits mehr als deutlich gesagt, dass diese nicht von der Stadt Mannheim zu schultern ist, sondern die Familie Beetz gegebenenfalls zusammen mit andere Investoren dieses Invest schultern wollen. Bereits beim Bau der SAP Arena vor 17 Jahren wurden die verkehrs­infrastrukturellen Voraussetzungen für ein Fußballstadion und weitere Sport­anlagen rund um Arena und Maimarkt geschaffen. Jeder andere Standort wäre unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit ein Fehlgriff.

Organisationsprobleme bei Stadtraumservice endlich beheben

Ein großes Manko dieses Haushaltes ist es auch, dass der seitens des Dezernats V vielfach versprochene Prüfaufträge noch nicht abgearbeitet wurde. Bei den ver­gangenen Etat­beratungen haben wir die schwierige Situation für die Bürgerinnen und Bürger bei einigen Leistungen des Stadtraumservices angeprangert. Wir waren bereits damals der Auffassung, dass durch eine verbesserte Organisation die vorhandenen Probleme (Probleme bei der Sauberkeit in den Stadtteilen, Vorlaufzeit von 3 Monaten beim Sperrmüll, nicht eingehaltene Leerungstermine bei Mülltonnen, schlechte Radwege und Straßen, überfüllte Altkleiderkontainer, etc.) gelöst werden können. Frau Bürger­meisterin Pretzell hat uns hierzu nochmals im Mai dieses Jahres eine Organi­sations­analyse noch vor den Etatberatungen im Jahr 2022 zugesagt. Auf diese warten wir bis heute.

Wir sind uns sicher, dass wir es auch in diesem Bereich, wie in allen anderen Bereichen der städtischen Verwaltung, mit engagierten hochmotivierten Mitarbeitern zu tun haben. Aber jede Einheit kann nur so gut funktionieren, wie die organi­satorischen Rahmenbedingungen es ihnen vorgeben.

Wir bedauern es daher sehr, dass die versprochene Analyse noch nicht vorliegt.

Stadtteile und Vereine stärken

Es geht in diesem Jahr aber auch darum Akzente zu setzen für die Zukunft einer funktionierenden Stadtgesellschaft. Wir sehen, dass es immer schwieriger wird, Vorstände für Vereine zu finden, gleich ob Musikverein oder Sportverein, Kulturverein oder Interessengemeinschaft. Dies liegt daran, dass es für einen Ehrenamtlichen immer aufwendiger wird, alles in einem Verein im Griff zu behalten. Häufig kommt die Arbeit der Führung eines kleinen Betriebs gleich. Wir müssen dort, wo die Stadt­verwaltung helfen kann, dies auch tun. Sei es bei der klimarelevanten Ertüchtigung von Gebäuden. Hier werden aktuell CO2 und auch Mitgliedsbeiträge ins Freie „hinausgeheizt“. Dies gilt für Sport- und andere Vereine, die ihre Gebäude und Hallen beheizen müssen und nun nicht wissen, wie sie den verteuerten Brennstoff bezahlen sollen. Dies habe ich mir zuletzt bei der DLRG anschauen müssen, wo direkt nebenan ein modernes Kombibad entsteht, die DLRG aber nicht einbezogen wurde. Auch die Absage des Traditionellen Fastnachtsumzuges zeigt, dass solche Groß­ver­an­staltungen mit immer mehr Auflagen nur mit hauptamtlicher Unterstützung aus der Stadt und seiner Gesellschaften wie z.B. in Ludwigshafen möglich sind.

Ferner schlagen wir vor, dass Fachbereich 25 gemeinsam mit den beiden Kirchen ein Konzept für die gemeinschaftsbezogene Weiternutzung von Kirchen und Gemeinde­sälen entwickelt, nämlich dort wo die Religionsgemeinschaften die Räume aufgeben. Ein durchgeführter best-practice-case ist dafür die Epiphanias-Kirche, die nun getragen von einem privaten Verein als Kulturraum für Proben und Veranstaltungen dient.

Last but not least kann ein schwieriges Thema auch dieses Jahr nicht fehlen. Die Universitätsmedizin Mannheim.

Unverantwortlich die Risiken durch die UMM im Haushalt nicht einzuplanen

Der Gemeinderat hat eine Patronatserklärung über 47 Mio. € abgegeben. Diese wird nicht ausreichen, die Liquidität des Klinikums zu erhalten und die Bilanzverluste auszugleichen. Mag es auch sein, dass es juristisch korrekt ist, in den Haushalt 2023 nichts einzustellen, weil ein negatives Ergebnis noch nicht entstanden ist. Zur Haushalts­wahrheit trägt dies aber nicht bei. Herr Oberbürgermeister, schon im vergangenen Jahr haben wir die Situation angeprangert und es kam, wie zu erwarten, dass wir oben angeführte Patronatserklärung über 47 Mio. € abgegeben haben. Es ist unverantwortlich hier keine weitere Vorsorge zu treffen. Beim Thema Fusion der Universitätskliniken Heidelberg und Mannheim konnte trotz Unterstützung über die Parteigrenzen hinweg beim Minister­präsidenten nicht erreicht werden, dass wir auch nur einen Millimeter weitergekommen sind. Im Gegenteil, selbst die für tausende Zukunftsarbeitsplätze wichtige „Health + Life Science Alliance Heidelberg Mannheim“ kommt nicht so recht voran.

Es gibt noch viele Themen, die man ansprechen müsste. Stärkung der Familien, Kita­aus­bau, Verkehr: Parkproblematik, Fahrradwegeausbau, Straßensanierung, Brücken, Tunnel, Ausbau Öffentlicher Nahverkehr, Wirtschaftsförderung, Wohnraum für alle, Sicher­heit, Kontrolle der Einhaltung der Polizeiverordnung, Kulturförderung, … Die Zeit lässt es nicht zu. Daher lassen Sie mich jetzt zum Abschluss noch ein Wort des Dankes sagen.

Danke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kämmerei rund um den Fach­bereichsleiter Herrn Manhart. Dank an sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die auch in diesem Jahr wieder mit großem Einsatz für unser Mannheim das Beste gegeben haben. Lassen Sie auch im Jahre 2023 Mannheim erblühen, nicht nur auf der BUGA.

Ich wünsche dem Gemeinderat und der Verwaltung konstruktive Etatberatungen mit der Courage für mutige Entscheidungen.